Freitag, 16. Oktober 2009
Herta Müller bei der Buchmesse: „Ich habe das Glück gehabt, eine Diktatur zu überleben“
Nobelpreisträgerin am Epoch Times-Stand

Bewunderung für chinesische regimekritische Autoren und Epoch Times - Nobelpreisträgerin unterschreibt für Freilassung von Menschenrechtsanwalt Gao

Florian Godovits
Epoch Times Deutschland
15.10.2009


Herta Müller wird interviewt von Lea Zhou, Chefredakteurin der Da Ji Yuan-Europe, im Hintergrund Autor Bei Ling. (Jason Wang/The Epoch Times)

Die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller löste am Donnerstagnachmittag einen regelrechten Sturm auf den Stand der Epoch Times an der Frankfurter Buchmesse aus. Die Blitzlichter krachten, als die scheue Autorin, deren Auftritt mit der Feinheit und gleichzeitigen Kraft ihrer Werke übereinstimmt, regimekritische Autoren wie Bei Ling aus den USA und den in Deutschland lebenden Zhong Weiguang begrüßt.

„Ich bin froh, wenn ich Sie alle durch irgendetwas und irgendwie unterstützen kann. Wenn der Preis, den ich bekommen habe, auch dazu beiträgt, dass ich Ihnen Schutz geben kann ... – und ich weiß, alle Diktaturen sind immer gleich im Umgang mit einzelnen Menschen, und dass Individuen dort keine Rolle spielen, und dass der Einzelne seine eigene Meinung nicht haben darf.“

Müller, die im Rumänien des Ceausescu-Regimes aufgewachsen ist und gelebt hat, weiß, wovon sie spricht. Sie weigerte sich, mit der Securitate zusammenzuarbeiten und verlor daraufhin 1979 ihren Job. Bis heute ist sie eine Mahnerin und Aufdeckerin, wenn es um die Verbrechen der rumänischen Geheimpolizei geht.

„Ich sage immer, dass ich das Glück gehabt habe, eine Diktatur zu überleben.“ Sie glaubt nicht, dass die chinesische Diktatur aufrecht zu erhalten sei. „Es ist jedoch schade, wenn zuvor ein Menschenleben vergeht. Ich habe viele Freunde, die vom Sturz des Ceausescu-Regimes nichts mehr haben.“ Es gäbe viele Regime, die den Menschen ein ganzes Leben gestohlen hätten, neben China auch Kuba, den Iran oder Nordkorea.

In einer Diktatur braucht man Mut und Verantwortung

An die chinesischen Dissidenten-Autoren richtet Herta Müller die Worte: „Der Mut ist eine andere Seite der Angst. In einer Diktatur braucht man Mut und Verantwortung. Selbstverständlich hat jeder Angst. Ich glaube jedoch, dass die Angst zuverlässiger ist zum Durchhalten als der Mut.“


Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller (l.) mit dem regimekritischen Autor Bei Ling beim Stand der Epoch Times auf der Frankfurter Buchmesse. (Jason Wang/The Epoch Times)

Die Chefredakteurin der chinesischen Europa-Ausgabe („Da Ji Yuan“) dieser Zeitung, Lea Zhou, spricht von Herta Müller als einer „Schriftstellerin gegen das Vergessen“ und überreicht ihr die aktuelle Ausgabe der Da Ji Yuan. Im Inhalt: Ein auf Chinesisch übersetzter Teil von „Atemschaukel“, dem neuesten Roman Herta Müllers.

Die Kameras krachen wieder. Leise, aber gewaltig, wie es zu Herta Müller passt. Sie zeigt sich trotz der Ernsthaftigkeit der angesprochenen Themen, des Andrangs und ihrer etwas angeschlagenen Gesundheit – sie hatte am Vortag mehrere Termine absagen müssen – mit recht freiem Lächeln. Die Melancholie im Blick bleibt während der gesamten Veranstaltung, doch ihre Worte sind weniger der Vergangenheit, vielmehr der Zukunft gewidmet. Zu den chinesischen Dissidenten-Autoren sagt sie: „Hoffentlich werden Sie für Ihre Arbeit belohnt, und hoffentlich entsteht in China bald der innere oder der äußere Zwang, an der Menschenrechtssituation etwas zu ändern.“

Applaus kommt erneut auf. Auch nach den in Richtung der regimekritischen Autoren und Lea Zhou gerichteten Worten: „Ich bewundere Sie für Ihre Haltung, und ich kann mir vorstellen, was es Sie kostet, und dass Sie etwas riskieren.“


Herta Müller unterschreibt am Epoch Times-Stand eine Petition für den Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng. (Jason Wang/The Epoch Times)

Unterschrift für chinesischen Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng

Auf die Frage eines Journalisten von Radio Free Asia, das im Festland Chinas verboten und doch gerne gehört wird, ob sie in Rumänien Radio Free Europe gehört habe, sagt die Literatur-Nobelpreisträgerin: „Radio Free Europe habe ich gehört, mehrmals am Tag.“ Wer das in Rumänien nicht getan habe, sei „ein Idiot“ gewesen. Doch einige ihrer Freunde hätten den Sturz des Ceausescu-Regimes nicht mehr erleben können.

Damit der chinesische Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng diesen Tag eines Regime-Endes in China noch erleben kann – er ist seit Februar 2009 verschwunden und erlitt schon früher laut UNO-Sonderbeauftragtem für Folter, Manfred Nowak, schwerste Folter -, unterschreibt Herta Müller am Epoch Times-Stand eine Petition für ihn, die ihr von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) - der Autorin durch den Einsatz für ein Ende der Ceausescu-Herrschaft in Rumänien bekannt – vorgelegt worden war.

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